Das Tagebuch der Elfania Klee
Das Tagebuch der Elfania Klee
An einem Sommertag vor vielen Jahren wanderte ich durch das Stellmoorer Tunneltal und fand im Gras neben weidenden Hochlandrindern eine kleine rosa Schachtel.
Sie schillerte wie ein Schmetterlingsflügel und enthielt ein kleines Büchlein.
Es war sehr fein gearbeitet und die fragilen Buchseiten waren mit schönen Bildern von Blumen und Elfen verziert. Zum Teil waren die Seiten mit einer zierlichen Handschrift beschriftet.
In der Schachtel lag auch ein kleiner Briefumschlag. Er enthielt ein kleines Leporello, aber was viel interessanter in dem Moment war: auf dem Umschlag stand ein Name und eine Anschrift:
Elfania Klee
1. Rose links
Elfenreich
So gern ich Elfania ihr Tagebuch zurückgeben wollte, so wenig wußte ich den Weg zum Elfenreich.
Während ich mich ratlos umschaute, summte eine Biene vorbei, schaute mir in die Augen und ließ sich mit einem Honigeimer auf einer Arnikablüte nieder. Langsam folgte ich ihr und kniete mich vor die Blüte.
Sie setzte zum Flug an, als sie den Briefumschlag und das Büchlein in meiner Hand sah. Keine 2 Sekunden vergingen und sie war veschwunden. In der Eile vergaß sie ihr Eimerchen.
Was nun? Ich legte mich ins Gras und schloss die Augen, genoss das Sonnenlicht und den Duft der vielen Wildblumen. Eine ganze Weile später erklang ein leises Klingeln, das immer näherkam.
Über Blüten und Gräser schauend sah ich ein kleines Wesen mit zarten Flügeln auf mich zukommen und wann immer es die Flügel bewegte, erklang das Klingeln. Es war bezaubernd.
Es entdeckte mich und wir beobachteten einander, bis mir dann einfiel, dass es sich nur um Elfania handeln konnte und die Biene ihr wohl bescheid gesagt hatte, dass an der Rinderweide ein Mensch war und ihr Tagebuch gefunden hatte.
Die Schachtel mit dem Büchlein und dem Brief lag sicher in meiner geschlossenen Hand und als ich sie öffnete und die Elfe die Schachtel sah, quieschte sie und strahlte. Sie schnappte die Schachtel aus meiner Hand und senkte ihren Kopf in Dankbarkeit, dass das Buch, das sie schmerzlich vermisste, wieder bei ihr war.
Sie erzählte, dass sie das Buch selbst gebaut hatte. Das Papier schöpfte sie aus einer Pulpe, für die sie die Fallschirmfasern der Löwenzahnsamen sammelte. Die Lagen nähte sie mit Spinnenseide zusammen und den Einband sowie die Schachtel baute sie aus Blättern der Knoblauchsrauke, die sie mit Rosenblättern bezog. Als sie erfuhr, dass auch ich Papier selbst schöpfe und Bücher baue, schenkte sie mir den kleinen Umschlag aus Knoblauchsraukenblättern mit ihrer Adresse darauf und nahm mir das Versprechen ab, niemals nach dem Elfenreich zu suchen.
Schließlich erlaubte sie mir aus Dankbarkeit, ihr Buch gerettet zu haben, einen Nachbau davon für meine Größe anzufertigen. Nochmals kam ein Dankeschön von ihr und dann flog sie über meine Schulter davon. Mein Versprechen einhaltend, drehte ich mich nicht um und blieb im Gras sitzen, bis ihr feines Klingeln nicht mehr zu hören war.
Zu Hause begann ich, aus der Erinnerung heraus zunächst die Schachtel nachzubauen und später den Einband des Buches. Es kamen ausschließlich alte Buchdeckel zum Einsatz und für die Auskleidung der Schachtel ein Stück Stoffrest, das auch auf dem Bucheinband verwendet wurde. Desweiteren Acryl- und Aquarellfarbe und Schablonen. Das Innenleben des Buches besteht aus verschiedenen Papieren, u.a. in Avocadosud gefärbtes Papier, recyceltes Pergamentpapier und handgeschöpftes.
Mit Buchbinderfaden sind vier Lagen eingebunden, die zusammen 128 Seiten ergeben.
Neben aus alten Büchern gewonnenen Bildern (u.a. "Floral Greetings" von A. v. d. Heide) und alten Kalendern (Marjolein Bastin) kam von Cristina Radovan entworfenes Papier und in großem Umfang von Roland Meuer gestaltetes Elfenpapier zur Anwendung, u.a. auf den Vorsätzen. Das Elfenpapier habe ich z.T. nach eigenen Vorstellungen nachbearbeitet.
Aus Roland Meuers Sortiment stammen auch die beiden Bilder auf der Box und auf dem Buchdeckel. Diese beiden Motive nebst Buchecken waren die zeitaufwendigsten Elemente bei diesem Projekt: das Umsticken mit Perlen hat mehrere Tage in Anspruch genommen. Für Elfanias Vorbild dienten leere Samenkapseln und feine Halme als Perlen, denn winzige Glasperlen sind im kleinen Elfenreich äußerst selten.
Angela Friedl